Literatur zwischen den Jahren – Der Autor Björn Nonhoff und sein Buch Björnout bei Radio 889FM Kultur

Hier für diejenigen, die es verpasst haben, die Lesung von Teddys Traum – Ein Traum aus dem Buch Björnout. Teddy findet über seine Freunde und Träume wieder zu seiner Lebensfreude. Gelesen vom Autor Björn Nonhoff anlässlich einer Kultur Sendung des Radio Senders 889FM Kultur und der Reihe Literatur zwischen den Jahren.

Die Bilder wurden mit Midjourney erzeugt, der Text live eingesprochen.

Teddy trifft auf eine Taube, die ihm ihr Geheimnis verrät, wie sie und ihre Freunde mit dem Wahnsinn in dieser Welt besser zurecht kommen.

Der Beitrag wurde vom Sender Radio 889FFM Kultur unter vielen Zusendungen ausgewählt und am Weihnachtstag ausgestrahlt in der Literatur zwischen den Jahren. Es freut mich mit dabei zu sein.

Weiter unten folgt der Kapitel Text für diejenigen, die lieber lesen wollen.

 

Ein Kapitel aus dem Buch “Björn Out” welches 2024 erschienen ist und nach Kurzer Zeit Bestseller Status erreichte – und das als Self publisher. Zwischen den Feiertagen hatte ich das Glück und es wurde von mir gesprochen im Radio gesendet. Wer also lieber hören will als lesen kann dies hier tun:
Diesen Vormittag bemerkte Teddy einige graue Vögel, die vor dem Fenster auf dem Fenstersims saßen. Sie schienen sich zu verneigen. Und sie gurrten laut. Dann flatterten sie aufgeregt weiter, als die Katze auf die Fensterbank sprang.
Am Nachmittag schlummerte Teddy ein. Ihm war langweilig und draußen regnete es. Es dauerte nur kurz, dann begegnete er einer größeren Menge grauer Tauben in seinem Traum.
Die Tauben waren in einer großen Gruppe zusammen am Boden und sie pickten mit ihren Schnäbeln nach Körnern. Wenn sie sich bewegten, machten sie mit ihren Köpfen viele kleine Verbeugungen. Auch wenn kein Korn am Boden lag. Eine weiße Taube entdeckte Teddy zuerst und flog ihm mit weit ausgebreiteten Flügeln entgegen. Mit zwei kräftigen Flügelschlägen bremste die Taube ganz dicht vor Teddys Gesicht ab und setzte sich zu ihm.
„Hallo, ein schöner Tag heute, was?“, sagte die Taube.
„Ja, ein schöner Tag.“, erwiderte Teddy.
Die Taube blickte Teddy tief in die Augen: „Du machst einen etwas erschöpften Eindruck oder täusche ich mich?“ Gerade als Teddy zustimmen wollte, fuhr die Taube fort: „Ich kenne diesen Zustand. Viele Menschen tragen ihn mit sich herum. Und mir scheint, die meisten wissen noch nicht einmal um ihre Erschöpfung. Doch ich sehe es in ihren Augen. Die sind matt geworden und haben ihren Glanz verloren. Dann haben einige noch hängende Schultern und einen gebeugten Rücken. Die ganze aufrichtige Kraft ist irgendwo auf ihrem Weg liegengeblieben. Dann noch verkniffene Lippen und ein Gesicht, dem schon lange kein Lachen mehr begegnet ist. Manchmal hört man es sogar am Atem: flach, müde, matt. Als ob ihnen das Atmen nicht erlaubt ist. Seltsam. Sie nehmen alles so ernst. Sie scheinen das Träumen verlernt zu haben. Und dann ist es noch so, als ob sie es selbst nicht merken dürfen. Erlaubst du dir, zu träumen?“, wollte die Taube wissen.
„Seit kurzem.”, seufzte Teddy, „Ich habe eine lange Traumreise hinter mir und viel gesehen. Vieles kann ich noch nicht einmal verstehen. Und du hast recht, ich bin erschöpft, möchte mich erholen.“
„Freut mich, dass du deine Erschöpfung bemerkst. Das ist wichtig.“, setzte die Taube fort, „Wenn du es bemerkst, kannst du etwas ändern und wenn es nur eine Kleinigkeit ist. Weißt du, als Taube komme ich viel herum und sehe durch viele Fenster. Nicht alles ist schön. Ich sehe die unterschiedlichsten Situationen und Begegnungen von Menschen. Da gibt es viel Schönes und das stimmt fröhlich. Doch ich sehe auch viel Schreckliches. Dort drüben, schau mal.“ Die Taube deutete mit ihrem Kopf auf eine Parkbank, auf der ein ärmlich gekleideter Mann saß.
„Einmal ein stolzer, geachteter Mann. Jetzt sitzt er hier auf seiner Parkbank und riecht nach Schnaps. Er hat verlernt, seiner Verzweiflung einen anderen Ausdruck zu geben, als den seines Durstes nach Alkohol und seines zerschlissenen Mantels.“
Teddy sah den in sich zusammengesunkenen Bettler und schwieg. Er dachte an seine Zeiten in seiner Familie. Er hatte ein etwas mulmiges Gefühl im Bauch.
„Siehst du die Menge von uns Tauben dort auf dem Platz?“
„Ja, was ist mit ihnen?“
„Ich verrate dir ein Geheimnis. Es scheint, als ob die Tauben alle nach Körnern picken. Doch das ist nur der sichtbare Teil des Geschehens.“
„Wirklich, was sieht man denn nicht?“
„Wir sehen so viele Schicksale jeden Tag. Da sind wir als Tauben meist hilflos, weil wir scheinbar nichts ändern können. Wir sehen Paare, die sich lieben und wir hören die Stille von Paaren, die aufgehört haben, miteinander zu reden. Ich höre Familien, die sich wegen Kleinigkeiten anschreien. Ich erfahre Geschichten von Kindern, die von Tag zu Tag weniger lachen, da die Freude aus ihrer Familie entwichen ist. Das macht viele von uns traurig. Und dann diese Angst, die du an immer mehr Orten schon riechen kannst. Sie scheint immer größer zu werden.
Eine weise Taube unter uns hatte eines Tages eine geniale Idee. Sie war komisch und sie schien verrückt. Doch das sind oft die besten Ideen. Und wir probierten sie aus und sie hat funktioniert. Kann dir nicht erklären wie, aber es wirkt, einfach so.“
„Welche Idee?“
„Die Taube meinte, wir sollen nicht die Augen verschließen. Das wäre zu gefährlich für uns Tauben. Also schlug sie uns vor, mit wachen Sinnen, offenen Augen und offenen Herzen alles zu betrachten. Einfach alles wahrnehmen. Nicht beurteilen, sondern aufmerksam sehen, hören, fühlen. Wir waren sehr ergriffen, von allem, was wir da wahrnehmen konnten. Es erschien so vieles chaotisch und durcheinander. Wir waren am Anfang oft überwältigt. Dann lud uns die weise Taube zu einem weiteren Experiment ein. Statt wegzufliegen oder die Augen zu verschließen, fingen wir an, uns freundlich und anerkennend zu verneigen. Wir verneigten uns vor allem was ist, freundlich und demütig, vor dem Schönen, wie vor dem Schrecklichen.
Lasst uns verneigen und mit dieser Geste für das Glück aller Wesen beten. Das waren die Worte der weisen Taube. Zuerst waren wir ein wenig verwundert. Doch wir hatten Zeit und probierten die Idee aus, zunächst ein paar wenige von uns. Wir verneigten uns vor allem, was wir erlebten, dem Schönen und dem Schlechten. Und wir beteten dabei, für uns und für alle anderen. Wir wünschten allen Lebewesen Glück, mit unseren Gebeten und mit unseren Verneigungen.
Mit der Zeit bemerkten wir, dass die Schwermut dem Mut wich. Es wurde lichter um uns und in uns. Wir wurden sogar etwas mutiger, schauten genauer und tiefer hinein in die Situationen und in unsere Herzen. Ein lächelndes Gurren gesellte sich zu unseren Verneigungen. Mit der Zeit erfüllten unsere Herzen eine gewisse Zufriedenheit und Dankbarkeit mit allem, was ist.“, schloss die Taube.
Teddy lauschte gespannt. Er hatte bisher noch nicht die Idee gehabt, sich zu verneigen. Nein, eher im Gegenteil, er stellte sich dem, was ihm nicht gefiel, meist mit all seiner Kraft entgegen. Die Idee mit dem Annehmen und Verneigen vor dem, was war, erschien ihm sehr seltsam. Doch in seinen Träumen hatte er angefangen, verrückte und einfache Ideen zu schätzen.
„Probiere es doch einfach einmal aus. Was hast du schon zu verlieren?“, ermunterte ihn die Taube.
„Verneigen fällt mir schwer. Ich habe Rückenschmerzen.“
„Ja, du hast mir gleich einen etwas sturen Eindruck gemacht.”, lachte die Taube und schien sich selbst dabei freundlich zu verneigen.
„Nicht stur, Schmerzen, hier im unteren Rücken.“, verzog Teddy sein Gesicht und deutete mit seiner Pfote an seinen Rücken: „Ich habe mich verhoben, als ich …“
Die Taube unterbrach ihn: „Sei sanft mit dir und nimm nur deinen Kopf und deine innere Haltung wahr. Achte deine Schmerzen. Verneige dich, soweit es dir möglich ist. Es soll dir nicht wehtun. Oder stelle dir nur vor, wie du dich verneigst. Nimm dir die Zeit.“
„Gibt es da noch etwas, was dich bedrückt?“, fragte die Taube.
„Ich bin von meinem besten Freund verlassen worden.“, seufzte Teddy.
„Gurrr, gurrr. Kein leichtes Schicksal.“ Die Taube verneigte sich erneut und beharrte darauf einladend: „Dann stell dir das vor, spüre den Schmerz und die Trauer und was sonst noch in dir liegt und verneige dich freundlich, ganz langsam und sanft.“ Teddy blickte die Taube an: „Hier?“
„Ja, natürlich hier. Wo sonst? Jetzt und hier.“, lachte die Taube frech. Teddy runzelte sein Stirnfell. Da fiel ihm die Nacht an der Raststätte ein. Die Autofahrt bei Regen und die kalte einsame Zeit auf der Parkbank, mit all den Fragen und den Gefühlen im Bauch: seine Schwermut, Traurigkeit, Wut, Kälte, Schmerzen. Ein wildes Gemisch aus Gefühlen, Erinnerungen und Bildern tauchten in ihm auf. Er sträubte sich. Sein Rücken schmerzte. Der Jaguar erschien vor seinem inneren Auge. Er atmete tief.
„Los, nur Mut, fang innerlich an. Merke deinen Impuls und lege die Verneigung auf den Moment. Jeder kann der richtige für dich sein. Verneige dich vor allem, was ist.“, ermutigte ihn die Taube weiter.
„Na, ausprobieren kann ich es ja mal.“, dachte Teddy und verneigte sich langsam.
„Das ist alles ein Teil von deinem Leben, nicht wahr?“
„Ja, schon.“
„Dann verneige dich auch in deinem Herzen.“
„Wie soll denn das gehen?“
„Tue es einfach. Du bist schließlich ein Teddy mit Herz.“ Teddy verneigte sich. Als er sein Herz mit dazu nahm, erfüllte ihn zuerst eine tiefe Traurigkeit.
„Gut. Verneige dich vor allem, was ist, selbst deinen Gefühlen, deiner Traurigkeit. Leg alles in deine Bewegung.“
„Woher weißt du, was ich fühle?“, wunderte sich Teddy. „Ist nicht wichtig. Verneige dich vor dem, was ist.“, gurrte die Taube liebevoll.
Teddy verneigte sich. War es einmal, war es eine Stunde, waren es Sekunden? Er wusste es nicht mehr. Er merkte nur, wie sich sein Zustand wandelte, wie er erst weinte, wie er atmete, wie er wieder weinte und zugleich lächelte. Neben dem Jaguar tauchte auch der Delfin in seiner Vorstellung auf. Er roch das Meer. Er spürte eine innere Wärme und Weite. Ein leichtes, strahlendes Licht aus seinem Inneren schickte helle Strahlen der Dankbarkeit in diese grenzenlose Welt.
„Gut gemacht. Siehst du, ein wenig verrückt oder?“, blickte ihm die Taube tief in die Augen, „Und doch so einfach.“
„Vielleicht etwas zu einfach für diese komplizierte Welt.“, witzelte Teddy.
„Das kann gut sein. Einfach und leicht zu vergessen. Wir Tauben erinnern uns für diejenigen mit, die es vergessen. Denn wir lieben es, unter glücklichen Menschen und Wesen zu leben. So verneigen wir uns für alle und beten für alle. Das hilft uns mit allem, was ist, etwas herzlicher umzugehen.“
Die Taube zwinkerte Teddy zu und flog wieder zu der großen Schar Tauben auf den Platz. Teddy blickte ihr dankbar nach. Teddy verneigte sich. Er fühlte sich dabei klein und groß zugleich. Seine Erschöpfung war einer heiteren Melodie in seinem Herzen gewichen.
„Guru. Guru.“, brummte Teddy und erwachte, „Was für eine schöne Melodie in meinem Herzen wohnt. Und sie wird von meinem Brummen getragen.“
 
— wenn ihr mehr lesen wollt gibt es das unter

oder im Buch

– erhältlich im gut und weniger gut sortierten Buchhandel

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